Moderne Mobilität ist mehr als ein Antriebskonzept. Sie ist eine Schnittmenge aus Technik, Alltagstauglichkeit und gesellschaftlichem Anspruch. Auf der electronica 2024 war zu sehen, wie Elektronik in Fahrzeugen nicht nur Funktionen erweitert, sondern ganze Nutzungsmöglichkeiten neu erschließt. Drei ganz unterschiedliche Exponate zeigen exemplarisch, in welche Richtung sich Mobilität entwickelt – und was dabei wirklich zählt.
Ein Auto, das ohne Hände und ohne Füße steuerbar ist – was nach Zukunftsmusik klingt, wurde am Stand von Arrow Realität. Das SAM Car richtet sich an Menschen, die durch Unfall, Krankheit oder Behinderung motorisch stark eingeschränkt sind. Über Kopfbewegungen, Sprachkommandos und sogar Atemsteuerung wird das Fahrzeug gelenkt, beschleunigt und gebremst. Möglich wird das durch ein komplexes Zusammenspiel aus Sensorik, Mikrocontrollersteuerung und redundanten Sicherheitssystemen.
Technisch betrachtet nutzt das System Eingabegeräte, die biometrische Signale erfassen und in präzise Steuerimpulse umwandeln. Entscheidend ist dabei nicht nur die Hardware, sondern vor allem die Software, die all diese Signale in Echtzeit verarbeitet. Im Testbetrieb zeigte sich, wie stabil und zuverlässig das Ganze funktioniert – selbst unter nicht idealen Bedingungen. Doch die Bedeutung des Arrow SAM Car geht über das Technische hinaus: Es steht exemplarisch dafür, wie Elektronik auch gesellschaftlich wirksam wird – indem sie Mobilität wieder ermöglicht, wo sie sonst ausgeschlossen wäre.
Ein ganz anderes Konzept, aber mit ähnlichem Anspruch präsentierte MPS. Das Unternehmen zeigte ein autonomes Fahrsystem, das deutlich kompakter ausfällt als viele bekannte Lösungen – und dennoch alle wesentlichen Komponenten integriert: Multisensorik, Steuerrechner, Aktoren, Sicherheitsüberwachung. Die technische Besonderheit liegt in der modularen Bauweise. Je nach Einsatzzweck lassen sich Module hinzufügen oder weglassen – von der einfachen Spurführung bis hin zur vollautonomen Navigation im innerstädtischen Bereich.
Die Messepräsentation ging über eine reine Demo hinaus. MPS zeigte konkrete Anwendungsbeispiele und sprach über regulatorische Aspekte, etwa im Hinblick auf funktionale Sicherheit nach ISO 26262. Deutlich wurde: Hier entsteht kein weiteres Entwicklungsprojekt, sondern ein produktionsreifes System, das sich in bestehende Fahrzeugplattformen integrieren lässt. Besonders spannend: die Kombination aus Edge-Computing und zentraler Sensorfusion, mit der das System auch in Echtzeit auf unerwartete Ereignisse reagieren kann – ein Muss für den realen Einsatz.
Epson wiederum griff ein Thema auf, das zwar weniger spektakulär wirkt, aber im Alltag umso relevanter ist: die Informationsdarstellung während der Fahrt. Das vorgestellte Epson Head-up-Display projiziert Fahrinformationen direkt ins Sichtfeld – ohne die Sicht auf die Straße zu verdecken. Technisch basiert das System auf einer hochauflösenden Mikroprojektion mit ausgefeilter Helligkeits- und Kontrastanpassung.
Was dieses Display von bisherigen Lösungen unterscheidet, ist die dynamische Steuerung der Anzeige: Je nach Verkehrssituation erscheinen nur die Informationen, die gerade relevant sind. Bei hohem Verkehrsaufkommen werden zum Beispiel Abbiegehinweise oder Abstandswarnungen prominenter eingeblendet, während bei freier Fahrt die Darstellung reduziert bleibt. Damit wird nicht nur die Aufmerksamkeit geschont – es entsteht ein System, das sich dem Fahrverhalten anpasst, nicht umgekehrt.
Was diese drei Systeme verbindet, ist der Versuch, Technik zugänglicher zu machen. Sei es durch alternative Steuerkonzepte, durch automatisierte Fahrsysteme oder durch intuitive Schnittstellen – überall wird deutlich: Mobilität ist nicht mehr nur eine technische Disziplin. Sie wird verhandelt an der Schnittstelle zwischen Mensch, Maschine und Verantwortung. Und genau hier spielt die Elektronik eine Schlüsselrolle: als Ermöglicher, als Vermittler, als Sicherheitsgarant.
Die Entwicklungen auf der electronica 2024 zeigen, wohin die Reise geht: In Richtung Assistenzsysteme, die mehr als nur Komfort bieten. In Richtung Fahrzeuge, die selbstständig, aber nicht isoliert agieren. Und in Richtung Konzepte, bei denen Technik nicht im Mittelpunkt steht, sondern der Mensch. Ob und wie sich diese Lösungen im breiten Markt durchsetzen, bleibt offen – klar ist aber: Die Technik ist bereit. Jetzt müssen es die Strukturen, Regeln und Erwartungen auch sein.